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Das Dorf Tiefthal (Eine Schilderung von 1928)

 

aus:

Im Weißbachtal bei Erfurt - Eine besinnlich Wanderung zur Grundmühle

Von W. Heinze, Wandersleben.

Verlagsanstalt Gebrüder Frauendorff, Arnstadt 1928

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Von der ersten urkundlichen Erwähnung an tritt das malerisch in den Bergen eingebettete Dorf Tiefthal, dem wir jetzt zustreben, als Winzerdorf in der Geschichte auf. Die sonnigen Berglehnen mit ihrem kalkhaltigen Boden eigneten sich vortrefflich zum Weinbau. Mit dem Entstehen der Klöster hielt auch die Rebe ihren Einzug in Thüringen. In einem Stiftungsbriefe des ehemaligen Benediktinerklosters St. Petri in Hasungen bei Kassel aus dem Jahre 1074 werden u.a. Gütern dieses Klosters auch die Kirche zu Orphal mit ihren Zugehörigkeiten und ein Weinberg zu Tiefthal erwähnt. 1130 gehören daselbst 6 Morgen Weinbergsland jenem Kloster. 1170 taucht der Erzbischof Christian von Mainz einen Weinberg am Gisperslebener Wege (Krainberg) hinter den Weinbergen des Peterklosters gelegen, gegen 2 dem Domstifte gehörende und innerhalb der Erfurter Stadtmauern liegenden Weinberge ein. Auf Grund von Zeugenaussagen werden 1219 in einem Streite zwischen dem Stephansstifte zu Mainz und dem Ritter Hermann von Döllstedt eine Hufe und ein Weinberg zu Tiefthal dem Stifte zugesprochen. 1220 beurkundet der Abt des Peterklosters Witelo, daß der verstorbene Günther, ehemals Bürger von Erfurt, später Mönch seines Klosters, seinem Kämmerer Berthold zum Ankaufe der Weinberge in Tiefthal Geld gegeben hat. Der Probst Dietrich und das Kollegium der Kirche St. Augustini in Erfurt verkaufen 1273 dem Abte Andreas und dem Peterkloster für 52 Mark Silbers ihren Weinberg zu Tiefthal. Danach muß hier die Rebenzucht im Mittelalter recht bedeutend gewesen sein. Erfurter Klöster, Stifte und wohlhabende Bürger besaßen größere oder kleiner Weingärten in Tiefthal. Das Erbzinsbuch des Peterklosters aus dem Jahre 1482 weist allein 96 Acker Weinbergsbesitz nach, 41/2 Acker Weinland hatte das Kloster von dem reichen Erfurter Bürgerjohannes Saalfeld erhalten. Der erzbischöfliche Mainzer Hof nannte 15 Acker Weinwachs sein Eigentum, 14 Acker lagen am Kirchberge, 1 Acker auf der anderen Seite des Dorfes. Die Tiefthaler Verechten von 1676 verzeichnen 750 Acker Weinberge. Über 1/3 der gesamten Flur war also damals noch mit Wein bepflanzt. Davon gehörten dem Stifte St. Mariae 2, St. Petri 69 3/4, dem Convent Cyriaci 5, Convent und Patres Jesuitarum 2 1/4, Kurmainzischen Hofe 6, der Kirche Praedicatorium 2 Acker. Außerdem hatten noch 136 Einwohner Erfurts Weinwachs in Tiefthal.

Welche Bedeutung die Traubenzucht für den Ort besaß, geht auch daraus hervor, daß man noch 1702 um die Erlaubnis einkam, das Kirchweihfest, das sonst am Montag nach Simonis Judä im Herbst stattfand und meistens in die Weinlese oder doch in die nötige Weinbergsarbeit fiel, am Montag nach Peter und Paul (3- Juli) halten zu dürfen, was dann auch gestattet wurde.

Der auf Tiefthals Fluren wachsende Wein galt als der beste im Erfurter Gebiet. Güte und Menge waren naturgemäß wechselnd, auf gute Weinjahre folgten weniger ertragreiche Jahre. 1503 brachte eine so vorzügliche Ernte, daß man nicht Fässer genug bekommen konnte, den Most zu fassen, ein Maß besten Weines kostete nur 2 Pfennige. 1587 bemerkt dagegen der Chronist: "Der Wein war grausam sauer."

In den letzten Jahrhunderten ging die Rebenzucht infolge der angerichteten Verwüstungen bei feindlichen Truppendurchzügen, durch den vermehrten und neueingeführten Getreide-, Kartoffel-, Klee- und Obstbau, sowie durch die sich öfters wiederholenden Krankheiten der Rebstöcke, immer weiter zurück. Auch große Kälte räumte in den Beständen wie im Winter 1739/40, gewaltig auf. Die kurmainzische Regierung versuchte zwar, den Weinbau zu schützen und zu erhalten. So heißt es in den durch Nicolaus Engelmann (ein erzbischöflicher Küchenmeister zu Erfurt 1494 - 1518) entworfenen Instruktionen: Die Weinmeister vor der Stadt zu Hochheim und zu Tiefthal sollen die Weinarbeiter zu rechter Zeit bestellen und zusehen, daß sie zu rechter Zeit an- und abgehen und fleißig arbeiten ... ". Eine Verordnung vom 14. Mai 1704 bestimmte folgendes: Niemand soll sich unterstehen, vom Anfang bis zum Ende der gewöhnlichen Hegezeit in den Weinbergen Hasen zu jagen bei Strafe von 6 Talern. Allen Viehhirten, wie auch den Weibern und Mägden soll es von nun an nicht mehr gestattet, sondern ausdrücklich verboten sein, in keinerlei Zeit des ganzen Jahres in den Weinbergen zu hüten oder zu grasen, bei 6 Taler Strafe oder im Unvermögensfalle 8 bis 14 Tage Gefängnis. Mißfällig ist es bemerkt worden, daß Bürger und Untertanen sich unterfangen, Weinberge auzuschlagen. Dieses wird bei arbitrarischer Strafe und allenfalls Konfiskation des ausgerotteten Weinbergs verboten." Auch das von dem Tiefthaler Einwohner Ludwig Braun verfaßte Buch über den Weinbau (1795) und die vergeblichen Bemühungen des weithin bekannten Pomologen Julius Heinze um die Jahrhundertwende konnten den Verfall der Rebenzucht nicht aufhalten. 1793 zählte man noch 169 Acker Weinbergsland, 1879 war der Bestand bis auf 6 ha zurückgegangen. Seit 1910 finden wir nur noch kümmerliche Reste (2 Morgen) der alten Herrlichkeit auf der Schwellenburg und dem Krainberge, vereinzelte Weinreben an der Südseite der Behausungen, altmodische Keltern in den Gehöften und leere Fässer in den Kellern Tiefthals.

Andere Erwerbsmöglichkeiten sind an die Stelle des ausgedehnten Weinbaus getreten, die Tiefthaler Bauern zeigten sich immer durch einen gesunden Fortschritt und eine nicht rastende Arbeitsamkeit aus. So hat heute neben zeitgemäß betriebener Landwirtschaft die Bienenzucht, der Obst-, Garten- und Gemüsebau einen hohen Stand erreicht. Nicht nur erfreuen die blühenden Obstbaumkulturen den Wanderer zur Maienzeit, nein, auch im Sommer und Herbste kauft der Erfurter Bürger gern die edlen und wohlschmeckenden Obst- und Beerenfrüchte von Tiefthals Feldern.

Überrascht und bewundernd treten wir in den Ort ein. Wetterharte Akazien mit ihren stark duftenden Blüten geben den Straßen ein festliches Gewand, während Tausende von summenden Bienen die raunenden Linden bevölkern, um den süßen Honigseim zu naschen und in die Waben der Imker zu tragen. Selten wird man ein Dörfchen mit solchem Schmucke finden, ein Naturdenkmal besonderen Gepräges bietet sich unserem Auge dar.

Alte Mauern begrenzen das am östlichen Eingange liegende "Peter Gut" (Wennigsche Gut). Wie schon der Name andeutet, gehörte es einst dem Erfurter Peterkloster, das sich schon im 12. Jahrhundert mit Tiefthal eng verwachsen zeigt. 1104 bestätigt der Erzbischof Ruthard von Mainz die Besitzungen des Klosters in "Diffentale". Nicht nur große Teile des Grund und Bodens nannte die Abtei St. Peter ihr eigen, - die übrigen Liegenschaften waren dem Erzbischof von Mainz lehnbar und zinspflichtig - sondern im Laufe der Zeit gelang es ihr auch, die Gerichtsbarkeit über den Ort zu erwerben. Ursprünglich lag diese, soweit Sie sich zurückverfolgen läßt, in den Händen der Grafen von Gleichen. Als 1223 das Peterkloster dem Grafen Lambert von Gleichen in finanziellen Nöten mit 30 Mark Silbers aushalf, versprach dieser für sich und seine Nachkommen, das ihm zustehende Vogteirecht über die dem Kloster verbundenen Dörfer Alach, Gottstedt, Bindersleben und Tiefthal niemals auf irgend eine Weise einem anderen zu übertragen oder zu veräußern. 1300 schenkte Graf Heinrich von Gleichen dem Peterkloster 8 1/2 Hufen in Tiefthal samt einigen Getreidezinsen und Wiesenwachs mit Ober- und Untergerichten (Galgenberg südlich v. T.)jedoch dauerte die Freude über den alleinigen Besitz der Gerichtsbarkeit nicht allzulange. Durch die wirtschaftlichen Verhältnisse gezwungen, mußte schon 1361 das Kloster die Hälfte an den Hals- und allen anderen Gerichten zu Alach und Tiefthal dem Erfurter Rat überlassen. Die andere Hälfte der Gerichtsbarkeit ging am Ausgange des Mittelalters auch noch an denselben verloren.

Die weitere Geschichte unseres Dorfes ist mit dem Geschick der Stadt Erfurt eng verknüpft. infolge des tollen Jahres 1509 in Erfurt herrschten auch auf dem Lande Unordnung und Sittenroheit. Dietrich Ziegler von Tonna lag mit der Stadt Mühlhausen in offener Fehde. Als Untertanen Erfurts hielten es die Tiefthaler Bauern mit den verbündeten Mühlhäusern und nahmen einen Mann gefangen, von dem Sie fürchteten, daß er das Dorf dem Dietrich Ziegler verraten und seiner Rache aussetzen würde. Am Freitag nach Jakobi 1512 wurde der Gefangene durch die Mühlhäuser Bürger vor Tiefthal gevierteilt. Schutzlos war damals der Dorfbewohner dem Stärkeren ausgeliefert, er mußte an Gut und Blut bezahlen, was die Stadt den unbefriedigten Gläubigern schuldete. Am Abend des Tages der Kreuzerhöhung (14. Sept.) 1519 kam Asmus von Bottlar, der dem Erfurter Rat eine Summe Geldes geborgt hatte und statt der verlangten 6% Zinsen nur 4% erhielt, mit 50 Berittenen nach Kühnhausen. Er beschoß den Ort, sodaß 4 Gehöfte in Flammen aufgingen. Während die Bauern Tiefthals zum Löschen dorthin eilten, wandte sich der heimtückische Bottlar nach Tiefthal und zündete auch dieses Dorf an. 11 Anwesen brannten nieder. Nachdem er so sein "Mütchen" gekühlt hatte, eilte er unter Mitnahme einiger gefangengenommener Bauern davon. Als 1000 Erfurter Bürger dem Strauchritter nachstürmten, erhielten die Gefangenen ihre Freiheit wieder.

Durch den dreißigjährigen Krieg verlor unser Dörfchen die Hälfte seiner Gehöfte. Die Verrechten Tiefthals von 1604 führen 40 Wohnhäuser auf, während 1640 die Behausungen bis auf 17 vernichtet worden sind. 1655 berichtet der damalige Pastor Schumann, daß sich nur 14 Hausväter und 2 Witwen im Dorfe befänden, die Schule im Sommer bloß von 6-8, im Winter höchstens von 18 Kindern besucht würde. Kaum begann sich Tiefthal von den Schrecken des langen Krieges zu erholen, als die Einwohnerschaft aufs neue schwer geschädigt wurde. 1664 belagerte unter Mitwirkung der Franzosen der Kurfürst von Mainz die Stadt Erfurt. Der Generalwachtmeister Sommerfeld schlug sein Lager bei Marbach und Gispersleben auf. Wie die Kirchenbücher erzählen, wurde Tiefthal bis auf "etliche wenige Häuser abgerissen und abgebrannt". Außer Kirche und Schule waren 9 übrig geblieben, bis 1676 hatte man 6 wieder aufgebaut. 1669 wütete die Pest und forderte große Opfer an Menschenleben, ebenso starben 1683 allein 52 Personen an dieser ansteckenden Krankheit. Erst im 18. Jahrhundert war ein Emporblühen unseres Gemeinwesens wieder zu verspüren, 1793 hatte das Dorf 67 Wohnhäuser und 218 Einwohner. Einige Unruhe und Lasten brachte während dieser Zeit der Siebenjährige Krieg. 1757 schlugen 25000 Franzosen ihr Lager vor dem Erfurter Andreastore auf, zwei Schwadronen Kavallerie lagen in Thiefthal und Kühnhausen.

Durch die zwei Bundeskriege 1793-1797 und 1799-1801 gegen den westlichen Nachbar verlor Deutschland alles Land links des Rheines und mußte es an Frankreich abtreten. Der Friede von Luneville aber gab den weltlichen Fürsten Deutschlands das Recht, sich für den verlorenen linksrheinischen Besitz durch Wegnahme geistlicher Landgebiete auf der rechten Rheinseite zu entschädigen. So erhielt Preußen durch den Vertrag vom 23. Mai 1802 für seinen Verlust von Kleve, Geldern und Mörs u. a. auch das mainzische Thüringen, das Eichsfeld und Erfurt, mithin auch das untere Weißbachtal und Tiefthal mit dem Peter Gut. Die Kurfürstliche Regierung von Mainz hatte in ihrer letzten Verordnung vom 21. August die Ankunft der preußischen Truppen bekannt gemacht und zur friedlichen und freundlichen Aufnahme ermahnt. Nachdem die preußischen Soldaten in Kühnhausen einen Rasttag gehalten hatten, zogen sie am 22. August in Erfurt ein und nahmen von der Stadt und dem Fürstentume im Namen des Königs von Preußen Besitz. Als das Peterkloster am 22. März 1803 aufgehoben wurde, kam das Tiefthaler Peter Gut an den preußischen Staat, der es nach den Freiheitskriegen einem Regierungsrat Pein als Belohnung schenkte, da dieser in den Kriegen als Kundschafter gute Dienste geleistet haben soll.

Haben uns die altersgrauen Steine der Umfassungsmauern des Peter Gutes einiges aus Tiefthals Vergangenheit berichtet, so schreiten wir jetzt durch die Kirchgasse dem von der Höhe niederschauenden Kirchlein zu. Sonntag ist's, der eherne Mund der Glocken ladet eindringlich zu einer Erbauungsstunde im Hause des Herrn ein. Männer und Frauen des Dorfes mit gebräuntem Antlitz und schwieligen Händen steigen im Gespräch mit uns langsam den holprigen Kirchweg hinan. Peter und Pauls Kirche heißt das Gotteshaus. Der Name deutet auf die früheren Beziehungen, wenn nicht gar auf die Gründung durch das Peterkloster in Erfurt hin.

Als Filialkirche des Gotteshauses zu Kühnhausen - seit wann, ist unbekannt - war Kirche und Pfarramt dem Kloster des Neuen Werks zu Erfurt lehnbar. Noch 1714 schreibt der Pfarrherr zu Kühnhausen: "Den 3. Dezember wurden wir in das jfr. Kloster Neuwerk beschieden, um daselbst die Lehn über die Pfarrgüter zu empfangen. Es machte aber die Priorin allerhand Schwierigkeiten und wollte aus den 10 Talern, die sie bisher Lehngeld empfangen, ein Dutzend Taler machen. Ihr Raisson war, weil 12 Apostel wären, müßten auch 12 Taler Lehngeld entrichtet werden. Aber als ihr zur Antwort gegeben wurde, weil nur ein Gott wäre, der doch allerdings den Vorzug vor den Aposteln hätte, könnten wir mit gutem Recht nur 1 Taler geben, schwieg sie endlich hiervon stille".

Umgeben von dem auf lieblicher Bergeshöhe gelegenen Friedhofe ist die Kirche mit ihren spitzbogigen Fenstern und Türen im spätgotischen Baustile errichtet. Nach einer an der Südwand des Schiffes befindlichen, nicht ganz verständlichen Inschrift, hat man den Bau 1510 begonnen. Doch ist das Gebäude nur an die Stelle eines früheren getreten, an welches 1418 der Turm angebaut wurde. Eine vermutlich später in diesen wieder eingemauerte Inschrift besagt: "Als Hans Weise und Thomas Rose Baumeister waren, da ward dieser Turm angebaut." Die vorgefundenen Aufzeichnungen im Turmknopfe berichten von einem Neubau des Turmes im Jahre 1595. Die italienische Haube, welche die Spitze des Turmes bildet, mag auch seit damals den Turm krönen und ihm von da ab ein gefälliges Aussehen verliehen haben. Gleichzeitig hallten die ersten Schläge der "Steigerglocke, die 1596 gehänget worden", über das Dörflein hin. Die Jahre 1719 und 1920 ersetzten das jeweilige alte, ausgediente Uhrwerk durch ein neues wieder. 1751 und 1794 beschädigten Blitz und Wetterstrahl Turm und Kirchendach ganz erheblich. Wir treten in das Gotteshaus. Überrascht schauen unsere Blicke das schmucke Innere der Dorfkirche. Das festliches Kleid gab dem Hause im vergangenen Jahre nach eigenem Entwurf und eigener Ausführung "Meister Barthel" aus Tiefthal. Die geschmackvolle Bemalung ist ein Zeichen dafür, daß auch heute noch "dörfliche Kunst" zu finden ist. Der 1898 vorgenommene Umbau (Erneuerung des 1715 erbauten äußeren Treppenaufganges, neue Orgel, eine Empore) zeugt von dem opferfreudigen und christlichen Sinn der Dorfinsassen. Kanzel und Altaraufbau sind alt und im Barockstil gehalten. 1737 ließ sie Joh. Heinrich Hahn auf seine Kosten durch den Bildhauer Andreas Gessert aus Groß-Rettbach verfertigen. Die feierlichen Klänge des schönen Orgelwerkes rauschen durch den lichten Raum und brechen sich an den zart harmonisch-bundfarbig getönten Wänden und wecken an die heutige Wanderung denkend, einen Widerhall in unserer Brust, den der Mund im ewigwahren Liebe zum Ausdruck bringt:

" .................

Mich, ruft der Baum in seiner Pracht,

Mich, ruft die Saat, hat Gott gemacht;

Bringt unserm Schöpfer Ehre!"

Andächtig lauscht die Gemeinde dem auf der Kanzel stehenden ehrwürdigen Prediger im gelockten weißen Haar, durch dessen Worte sich wie ein roter Faden der Gedanke zieht:

"Wir pflügen, und wir streuen

Den Namen auf das Land;

Doch Wachsmut und Gedeihen

Stehn in des Höchsten Hand.

Er sendet Tau und Regen

Und Sonn- und Mondenschein;

Von ihm kommt aller Segen,

Von unserm Gott allein."

Die andachtsvolle Morgenstunde in dem trauten Dorfkirchlein ist uns zu einem nievergessenden Erlebnis geworden. Nach einem sinnenden Blick auf all' die stummen Zeugen treuer Liebe, die rings an den Wänden hängen, steigen wir auf den Turm, zum Glockenstuhl empor. Eine Glocke forderte der Krieg 1914/18. Sie war 1728 durch J. N. Sorber gegossen worden und kostete 238 Taler. Als Erlaß stiftete die Gemeinde Tiefthal aus Anlaß des 40jährigen Ortsjubiläums des Pfr. Dr. Müller am 16. April 1925 und zu Ehren der gefallenen Helden eine neue Glocke. Auf ihr sind die Namen der toten Kämpfer verzeichnet:

"Richard John, Guido Franke, Rudolph Nödlich, Paul Spielberg, Oskar Elle, Otto Hasselmann, Karl Jünge, Ernst Wurrnstich, Paul Gärtner, Kurt Weise, Hans Schellenberg, Arthur Held.

Wenn ich ertöne

Gedenke Eurer Söhne,

Die Gut und Leben

Für Euch gegeben."

Die 1728 beim Ausläuten zersprungene und im nächsten Jahre umgegossene kleine Glocke wurde 1853 und 1907 erneuert. "Hosianna. Anno Domini 1907. Franz Schilling in Apolda goß mich" steht auf ihr zu lesen. Die älteste und größte Glocke stammt, wie ihre Inschrift besagt, aus dem Jahre 1811. "Die Anno 1810 zersprungene Glocke ist auf Kosten der Frau E. Braunin, geborene Klebin, weiland Herrn J. L. Braun gewesenen Kirch- und Schulinspektor allhier, im Jahre 1811 wieder umgegossen worden von den Gebrüdern Lange in Erfurt unter der Direktion der Frau Sorberin, F. C. Kritz Pfarrer, J. Kramer Schullehrer, J. E. Adlung Oberheimbürger, J. A. Held und J. Heinze Kircheninspektores."

Dicht neben der Kirche steht die Schule, wo die Kinder des Dorfes "der Weisheit Lehren mit Vergnügen hören". Wenn dies Haus erzählen wollte! Männer wohnten jedoch unter seinem Dache, die von bergiger Höhe und hoher geistiger Warte aus hinunterschauten in das Tal und Segen spendeten auch der kleinsten Hütte.

Auf der eiseren Brücke, die über den Weißbach führt, halten wir an und beobacheten das muntere Spiel der kleinen Martinsvögel und die Taucherkunststückchen der Enten. Auf geschickte Weise hat man neuerdings unter Benutzung des Unterbaues der Brücke einen Stauweiher im kleinen Maßstabe erstehen lassen, um bei Feuersgefahr genügende Wassermengen zur Verfügung zu haben. Das besonders zur Sommerszeit wasserarme Bächlein und die einzelnen Brunnen reichten nicht aus, über das verheerende Element Herr zu werden. In den letzten Jahrhunderten wurde der Ort mehrfach durch größere Brände heimgesucht. Am 10. Dez. 1766 entstand 1 Uhr nachts in der Scheune von Martin Braun ein Feuer, das binnen einer halben Stunde 11 Wohnhäuser mit der dazugehörenden Scheunen und Stallungen einäscherte. Durch Unachtsamkeit bei der Flachsarbeit brannten am 5. Dez. 1818 acht Häuser in der Kirchgasse ab. In der Nacht vom 19. zum 20. Sept. 1827 gingen 13 Gehöfte in der Kirchgasse, 3 Wohnungen über der Kirchgasse, das Peter Gut und einige Scheunen und Ställe auf der Südseite des Baches in Flammen auf. 39 Feuerspritzen aus fremden Orten waren beim Löschen tätig. Zum Wiederaufbau bewilligte der König Friedrich Wilhelm III. freies Holz. Da es aber in der Nähe aus Königlichen Forsten nicht zu erlangen war, stiftete er 1428 Taler. Durch milde Beiträge, besonders aus Erfurt, wurden für die armen Abgebrannten 500-700 Taler zusammengebracht. Der letzte größere Brand entstand 1924 durch Kurzschluß, wobei die Scheunen und Stallungen von Bärwolf und Anton ein Raub der Flammen wurden, 7 Feuerspritzen traten in Tätigkeit und verhinderten ein weiteres Umsichgreifen der Feuersbrunst.

Wenige Schritte von der Brücke steht die 1871 zur Erinnerung an die Gründung des deutschen Reiches gepflanzte Kaiserlinde. in ihren Schatten hat 1913 der Landwehrverein Tiefthal zur Jahrhundertfeier der Völkerschlacht bei Leipzig ein einfaches, aber würdiges Denkmal in heimtlichem Muschelkalkstein errichten lassen. Den nachkommenden Geschlechtern möge es immer ein mahnender Gedenkstein an die Zeiten bleiben, da die Franzosen die Herren in unserem Lande spielten und die Väter unter dem fremden Joche seufzten. Der Chronist weiß davon zu melden: "Am 15. Oktober 1806 erschienen die Franzosen in Tiefthal. Die Einquartierungen nahmen kein Ende, die Kontributionen wurden in Menge aufgelegt und mit Härte eingetrieben, die Fuhren für Militärtransporte nahmen so überhand, daß die Bewirtschaftung des Feldes sehr litt. Das Jahr 1809 bracht wegen des Krieges zwischen Österreich und Frankreich neue Beschwerden; denn die Einquartierung wurde sehr lästig, namentlich drückend waren die Holländer, die im Juli mit der westfälischen Armee unsere Gegend heimsuchten und sich durch übles Benehmen auszeichneten. Als 1813 die Festung Erfurt in Stand gesetzt wurde, forderte man die Einwohner zu Schanzarbeiten an. Zum Osterfeste sah Tiefthal die ersten Preußen wieder. Es waren 2 Husaren, welche am Dorfe vorbeiritten und im Gasthofe einen Trunk zu sich nahmen. Im Sommer hatte der Ort fortwährend französische Durchmärsche, die nach Schlesien zur großen Armee gingen. Am 20. Oktober begann der Rückzug der Franzosen. Die Umgegend Erfurts leuchtete von zahllosen Wachtfeuern, zu deren Unterhaltung weder das Stroh in den Scheunen, noch die Anpflanzungen geschont wurden. Am 24. Oktober ward der Einwohner Georg Bormann von französischen Nachzüglern, die das Dorf plünderten, in der Lindengasse erschossen. Einige Bauern hatten vorher den räuberischen Soldaten Einhalt tun wollen, als diese den Weinkeller der Frau Braun aufbrachen und für 700 Taler Wein verwüsteten und tranken. Als dabei Bormann mit einem Soldaten in einen Disput kam, schoß ihm dieser eine Kugel durch den Kopf. Nach solchem Erlebnis verloren alle den Mut, da sich der Mörder nicht vom Platze entfernte und sein Gewehr mit neuer Ladung versah. Des Tags darauf hatten 3000 Kosaken ihr Nachtlager hinter der Kirche. Was noch an Lebensmitteln vorhanden war, holten sie. 8 Kühe, 30 Schafe, viele Schweine, Gänse und Hühner wurden in der Nacht genommen und verzehrt. Das Wachtfeuer brannte am Kirchhofe, und die Flammen schlugen über das ganze Dorf hinweg, ohne Schaden zu tun. Am frühen Morgen beim Abmarsche brannten diese Verwegenen noch alles übrige Brennmaterial, wozu auch eine von Stroh bebaute Hütte, dicht am Schulhause, gehörte, an - wodurch sowohl das Schulhaus als auch die Kirche unstreitig ein Raub der Flammen geworden wären, wenn nicht die beiden hiesigen Einwohner, Heinrich Rosenkranz und Friedrich Radiß, welche zunächst wohnten, auf unermüdliche Weise Wasser beigetragen und damit das schon brennende Schulhausdach gelöscht hätten. Das Obst war sehr reichlich geraten, aber die Russen haben die in großer Menge allhier vorhandenen gewelkten Zwetschen und das viele Mus rein aufgegriffen. Auch mehrere Pferde nahmen russische Nachzügler mit. Vorn 25. Oktober ab wurde die Festung Erfurt belagert. Die Belagerungszeit war eine Zeit der Unruhe, des Schreckens und der Not. Die Verpflegung der Truppen machte Entbehrungen nötig. Dazu stellte sich das gefährliche Nervenfieber ein. 72 Personen lagen auf einmal krank danieder und etliche 30, meistens starke Leute, starben daran. Am 6. Jan. 1814 fand die Übergabe der Stadt Erfurt an die Verbündeten statt. Mit großer Begeisterung wurde der Gedenktag der Schlacht bei Leipzig am 18. Oktober gefeiert. Abends läuteten die Glocken, und auf allen Bergen und Höhen, auch auf der Schwellenburg, leuchteten die Freudenfeuer empor.

Vor dem Denkmal gewahren wir zwei große Quadersteine. Sie decken einen alten Dorfbrunnen, der seine Geheimnisse auch hier ausplaudern möchte. 1722 machte eine Susanne Celliar durch einen Sprung in die Tiefe ihrem Leben ein Ende. Nach wiederholten Gängen an einen Kreuzweg hatte ihr abergläubischer Sinn sie zu diesem furchtbaren Schritte getrieben. In der Nähe des Brunnens stand seit 1691 ein Brauhaus. Durch eine große Überschwemmung des sonst so friedlichen Weißbrunnenbaches wurde es 1745 nebst zwei anderen Gehöften hinweggeriffen. Balken, Kleiderschränke, Braubottiche und Pferde konnten erst wieder in Kühnhausen den wilden Fluten abgerungen werden.

Ein kühler Trunk ist uns nun hier versagt. Wir wandern, nachdem wir uns als leckere Zukost zum schmackhaften Brote ein Stückchen guter Tiefthaler Molkereibutter in den Rucksack verstaut haben, westwärts weiter durch den "Grund".

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